Wolfgang Wackernagel
In der Verborgenheit liegt das BildÜber das Entbildetwerden und die Bedeutung von Andachtsbildern
bei Meister Eckhart
mit Hinweis auf eine Buchmalerei der Hildegard von Bingen
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* Veröffentlicht in:
Ingo Baldermann et al., Hg. Die Macht der Bilder,
Jahrbuch für Biblische Theologie, Band 13,
Neukirchen-Vluyn, 1999, S. 209-234.
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1) Das tugendliche Schauen
Eine bedeutende Stellung nimmt der Bildbegriff in Eckharts Denken ein. Er soll nämlich das Verhältnis zwischen den Bereichen des menschlichen und des göttlichen Seins schildern. Insbesondere geschieht dies in einer geistigen Praxis, die Eckhart das tugentlîche schouwen nennt. Dieses "tugendliche Schauen" - oder "Meditation", wie man heute sagen würde - ist wohl am treffendsten in dem von Franz Pfeifer herausgegebene Spruch 53 zusammengefasst. Weil der Spruch sich (noch?) nicht in der kritischen Ausgabe befindet, wurde er lange Zeit übersehen. Deshalb soll er hier in ungekürzter neuhochdeutscher Fassung wiedergegeben werden:
Dies sprach Meister Eckehart: Es gibt sieben Grade des schauenden Lebens. Wer sich im schauenden Leben üben will, der suche eine heimliche Stätte auf und denke zuerst daran, wie edel seine Seele ist, dass sie unmittelbar von Gott ausgeflossen ist, und darüber soll er in eine grosse Freude kommen.
Zum anderen, wenn er dies wohl betrachtet hat, soll er bedenken, wie Gott seine Seele geliebt hat, dass er sie nach dem Bilde der Dreifaltigkeit schuf und dass sie all das aus Gnade werden kann, was Gott von Natur ist. Darüber muss der Mensch notwendigerweise in eine noch grössere Freude fallen, denn es ist viel adliger, dass wir nach dem Bilde der Dreifaltigkeit geschaffen sind, als unmittelbar von Gott ausgegangen.
Zum dritten soll der Mensch darauf verweilen, dass er ewig von Gott geliebt worden ist, denn so wie die Dreifaltigkeit ewig gewesen ist, so hat Gott den Menschen ewig geliebt.
Zum vierten soll der Mensch sich bewusst werden, dass ihn Gott ewig dazu eingeladen hat, dasselbe mit ihm zu geniessen, was Gott ewig genossen hat und immer mehr geniessen soll, das ist Gott selbst.
Zum fünften soll der Mensch in sich selbst eingehen und Gott in sich selbst erkennen. Das geschieht auf diese Weise: Wesen kann nicht ohne Wesen sein. Wesen wird durch Wesen gespeist. Kein Wesen kann von einer Speise ernährt werden, bevor sich die Speise in die wohlgeordnete Natur dessen verwandelt hat, der ernährt werden soll. Das kann nur von einem Wesen geschehen, das selber Wesen ist. Es hat aber nichts aus sich selber Wesen als Gott. Darum kann meine Seele von nichts gespeist werden als von Gott. Wenn der Mensch in dieser Weise in sich eingeht, so findet er Gott in sich selbst. Will Gott, dass ich siege, so muss er mir Wesen geben. Kein Wesen kann ohne Gott bestehen. Will er also, dass ich Wesen habe, so muss er sich mir selber geben.
Zum sechsten soll die Seele sich selbst in Gott erkennen. Das geschieht in dieser Weise: Alles, was in Gott ist, ist Gott. Da mein Bild ewig in Gott gewesen ist, wie es noch ist und immer sein muss, darum ist meine Seele ewig eins mit Gott gewesen und ist Gott. Und so finde ich mich in Gott in so hoher Weise stehen, dass ich ewig Gott in Gott gewesen bin. Dies bringt dem Menschen, der sich darin üben kann, eine solche Freude, wie er sie keinem beschreiben kann.
Zum siebenten soll der Mensch Gott in sich selbst erkennen als den Anfanglosen, aus dem alles ausgeflossen ist. Diese Erkenntnis kann in diesem Leben niemandem gänzlich zuteil werden. Das liegt an der Schau göttlichen Seins, die sich hier nicht ereignen kann.(*1)
Analytisch betrachtet, lassen sich diese sieben Grade in zwei Hauptgruppen aufteilen.
Die vier ersten Grade sind dem Gedenken gewidmet: wie edel die Seele ist; dass sie nach dem Bilde der Dreifaltigkeit geschaffen ist; dass der Mensch ewig von Gott geminnet ist; und schliesslich, dass er ewig dazu eingeladen ist, Gott selbst zu geniessen. Nach dieser Einladung, bei der die "grosse" und "noch grössere Freude" zweimal betont wird, folgt mit dem fünften Grad die eigentliche Phase der Versenkung: Zuo dem fünften mâle sol ein mensche in sich selber gân und sol got in ime selber bekennen.
Die drei letzten Grade sind diesem Bekennen (Erkennen) gewidmet. In dem fünften Grad: Gott in sich selbst "wesensgleich" erkennen; in dem sechsten Grad, umgekehrt: sich selbst "als ewiges Bild" in Gott erkennen - dabei wird zum dritten Mal die dadurch erlangte Freude betont, nämlich eine soliche froide, daz er nieman dâ von gesagen kan. Um schliesslich, in dem in diesem Leben nie völlig erreichbaren siebten Grad zu gelangen, zur anfanglosen (zeitlosen) Schau des göttlichen Seins.
Auch wenn der Bildbegriff explizit nur im zweiten und im sechstem Grad erscheint, kann man feststellen, dass er implizit auch in den anderen Graden enthalten ist. Ist im ersten Grad die Seele als göttliche Emanation betrachtet, so kommt es daher, weil sie laut dem bekannten Satz der Genesis (1, 26) nach dem Bilde und Ähnlichkeit Gottes geschaffen wurde. Die gleiche Idee wird dann im zweiten Grad bezüglich der Dreifaltigkeit entwickelt. Denn die Dreifaltigkeit bezeichnet die schöpferische Natur Gottes, wodurch die Seele die Gabe der Intelligenz empfängt - sie ist sich nach dem Bilde der Dreifaltigkeit ihrer selbst bewusst. Das Modell einer Beziehung (Heiliger Geist) zwischen Abbild (Sohn) und Urbild (Vater), hat Eckharts Bildbegriff inspiriert.
Im fünften Grad dient der Bildbegriff dazu, die Beziehung zwischen dem göttlichen Wesen (Urbild) und dem geschöpflichen Wesen (Abbild) zu beschreiben. So wie sich der Mensch seiner selbst bewusst werden kann, indem er in sich selbst kehrt. Wenn der Mensch nach dem Bilde Gottes erschaffen ist, dann muss eine gewisse Wesensverwandschaft zwischen dem menschlichen und dem göttlichen Sein bestehen. Indem dem Mensch bewusst wird, dass er aus dem göttlich Wesen heraus dieses oder jenes Wesen ist, kann er Gott in sich selbst erkennen. Im sechsten Grad ist diese Erkenntnis wiederum explizit durch den Bildbegriff beschrieben: mein Bild befindet sich ewig in Gott, weil Gott mich aus der Ewigkeit seines Geistes erschaffen hat. Nur der siebte Grad übertrifft die Dualität der Bildlichkeit, jenseits des "Anfanglosen, aus dem alles ausgeflossen ist".
2) Entbildetwerden
Ganz allgemein kann man sagen, dass dieses tugendliche Schauen ein gewisses "Entbildetwerden" impliziert, das heisst, das Gottesbild wird in der Seele des Menschen von allen äusseren Bildern, die es überdecken, freigelegt. Man kann also gewissermassen von einem bildhaften Palimpsest oder einem übermalten Bilde sprechen, weil die Seele bei Eckhart ein durch andere Bilder überdecktes oder überschriebenes Bild ist. Das ursprüngliche Bild wird aber dabei keineswegs entstellt. Es besteht weiter unter den Bildern die es verdecken. So ist es jederzeit möglich, das ursprüngliche Gottesbild in der Seele freizulegen - ähnlich wie ein Paleograph, der einen alten Text unter einer jüngeren Schrift auf ein und dem selben Pergament entdeckt.
Das bestätigt auch ein anderer Siebenteiliger Spruch, "von den sieben Stufen des inneren und neuen Menschen", welchen Eckhart im Traktat Vom edlen Menschen (VeM) in einer metaphorisch bereicherten Form von Augustinus übernommen hat. Dabei ist die allerhöchste (die sechste oder siebte) Stufe erreicht, "wenn der Mensch entbildet und von Gottes Ewigkeit überbildet ist und zu gänzlich vollkommenem Vergessen vergänglichen und zeitlichen Lebens gelangt ist und gezogen und hinüberverwandelt in ein göttliches Bild" (Bei Augustin: Sextam omnimodae mutationis in aeternam vitam, et usque ad totam oblivionem vitae temporalis transeuntem in perfectam formam, quae facta est ad imaginem et similitudinem Dei)(*2). An gleicher Stelle werden die "heidnischen Meister" Tullius und Seneca zusammen mit der angrenzenden Thematik des "Samen Gottes" zitiert, und schliesslich noch mit dem "grossen Meister" Origenes in Zusammenhang gebracht: "Da Gott selbst diesen Samen eingesät und eingedrückt und eingeboren hat, so kann er wohl bedeckt und verborgen und doch niemals vertilgt noch in sich ausgelöscht werden [...] Gottes Bild ist in der Seele Grund wie ein lebendiger Brunnen(*3)."
Auch in den Lateinischen Werken ist diese Idee in ähnlicher Weise ausdrückt:
Ein Beispiel sehen wir, wenn ein Bild aus dem Holz oder dem Stein herausgeholt wird, wobei nichts verändert, vielmehr nur gereinigt, herausgehauen und herausgeholt wird. Ist dies alles durch die Hand des Künstlers herausgeholt, erscheint und erstrahlt das Bild; so lässt auch bei uns das, was darübergemalt und -geschrieben ist, nicht zum Vorschein kommen und uns nicht merken, was wir sind. (1. Joh. 3,2:) 'Wir sind Söhne Gottes', sagt er, 'aber es ist noch nicht offenbar'(*4).
Aus der Perspektive der philosophischen Überlieferung heraus, kann man den Begriff der Entbildung auf die neuplatonische Thematik der Abstraktion (aphairesis) zurückführen. Dies geschieht am eindeutigsten in einer dritten Variante der gleichen Idee: "Wenn ein Meister ein Bild macht aus Holz oder Stein, so trägt er das Bild nicht in das Holz hinein, sondern er schnitzt die Späne ab, die das Bild verborgen und verdeckt hatten(*5)." Obwohl Meister Eckhart hier keinen Namen nennt, hat er vermutlich dieses, auch von Michelangelo gebrauchte Gleichnis, dem zweiten Buch der Mystischen Theologie des Dionysius Aeropagita entnommen(*6).
An verschiedenen Stellen ist der Name des Areopagiten mit Eckharts "mystischer" Auslegung der theologia negativa verbunden. So zum Beispiel auch in den lateinischen Werken (im Kommentar zu Exodus 20, 21: "Moyses accessit ad caliginem, in qua erat deus"):
Das meint Dionysius im 1. Kapitel von der Mystischen Theologie: "die einfachen, verborgenen und unwandelbaren Geheimnisse der Theologie sind gänzlich bedeckt vom überhell strahlenden Dunkel eines auf verborgene Weise gelehrten Schweigens, das im Allerdunkelsten das Allerklarste überhell erstrahlen lässt". Und im 1. Brief an Gajus sagt er: "vollkommenes Nichtwissen ist Erkenntnis dessen, der über allem Erkennbaren ist". Johannes Sarracenus sagt im Prolog zu (seiner Übersetzung) der Mystischen Theologie: "steigt man durch Verneinung zur Erkenntnis Gottes auf, so bleibt am Ende doch verschlossen und verborgen, was Gott ist".
Im vorliegenden Textwort ist wiederum auch das ausgedrückt, dass der, der hinzutreten will, um Gott zu schauen, ganz von den Wassern, das heisst von allem Wandelbaren, abgehoben und abstrahiert sein muss (absumptus et abstractus ab aquis)."(*7)
Was nun diese "Bild-ergründende Entbildung" als "Abstraktion" (aphairesis) betrifft, spricht schon Plotin (Enneade I, 6, 9, 7) von einem poihth; ajgavlmato, der die Späne entfernt (ajfairei'), um die schönen Linien des Marmorbildes herauszuholen. So lautet auch sein aphairetischer Aufruf zum Abschluss des dritten Buches der fünften Enneade: Aphele panta(*8).
Aus der Sicht der biblischen Überlieferung kann auf eine besonders schöne Betrachtung über das Buch der Liebe hingewiesen werden:
'Nicht achtet darauf', meint das Buch der Liebe, 'dass ich braun bin, ich bin doch schön und wohlgestaltet; aber die Sonne hat mich entfärbt' (Hohel. 1,5) 'Die Sonne' ist das Licht dieser Welt und meint, dass selbst das Höchste und Beste, das geschaffen und gemacht ist, das Bild Gottes in uns verdeckt und entfärbt(*9).
Mit dieser originellen Auslegung des Hoheliedes lässt sich im Traktat vom edlen Menschen die gesamte Thematik der Entbildung zusammenfassen, wobei die sonnengebräunte Haut, wie nach einem langen Sommertage, direkt mit der augustinischen Thematik der "Abenderkenntnis" anknüpft: "Wenn man die Kreatur in ihrem eigenen Wesen erkennt, so heisst das eine Abenderkenntnis, und da sieht man die Kreaturen in Bildern mannigfaltiger Unterschiedenheit; wenn man aber die Kreaturen in Gott erkennt, so heisst und ist das eine Morgenerkenntnis, und auf diese Weise schaut man die Kreaturen ohne alle Unterschiede und aller Bilder entbildet und aller Gleichheit entkleidet in dem Einen, das Gott selber ist(*10)." Der Abend, das ist schon fast die Nacht, mit ihrer dämmernden Schwelle des kreatürlichen Nichts, bei der die "Kehre" (widerslac) des "edlen Menschen" vom irdischen zum göttlichen "Nichts" über den schmalen und steilen Weg führt, von der Entbildung zur morgenbekantnisse, von der Dämmerung zur Morgenröte, von der seelischen "Entfremdung" bis zum Seelengrunde.
3) Bildverbot und Dialektik des Bildes
Aus dieser Perspektive kann man auch das Entbildetwerden auf das alttestamentarische Bildverbot zurückzuführen. Exodus, 20,4: Neque omnem similitudinem, quae est in caelo desuper et quae in terra deorsum. Dazu schreibt Eckhart in seinem Exoduskommentar: "Wie sollte nämlich dem Unendlichen, Unermesslichen, Unsichtbaren ein sichtbares Gleichnis und dem Unerschaffenen die Gestalt eines Bildes gegeben werden? [...] Und doch sagt Gott: 'Lasst uns den Menschen nach unserm Bild und Gleichnis machen' (Gen. 1,26). Und 'Wir werden ihm ähnlich sein und ihn schauen, wie er ist' (1. Joh. 3,2)(*11)." Aus dieser Auslegung des alttestamentarischen Bildverbots lässt sich die gesamte Lehre der doppelten Perspektive, das Paradox der semantischen Polarität vom Wesen des Bildes in drei grossen Zügen zusammenfassen:
Sciendum ergo quod nihil tam dissimile quam creator et quaelibet creatura. Rursus secundo nihil tam simile quam creator et creatura quaelibet. Adhuc autem tertio nihil tam dissimile pariter et simile alteri cuiquam, quam deus et creatura quaelibet sunt et dissimilia et similia pariter(*12).
"Man muss also wissen, dass nichts so unähnlich ist wie der Schöpfer und jegliches Geschöpf. Andrerseits ist zweitens nichts so ähnlich wie der Schöpfer und jegliches Geschöpf." Diese "Dialektik" lässt sich in folgender Synthese zu einem Satz zusammenfassen: "Ferner aber drittens ist nichts einem anderen so unähnlich und ähnlich zugleich, wie Gott und jegliches Geschöpf unähnlich und ähnlich zugleich sind."
Dieses dialektische Paradox lässt sich an verschiedenen Beispielen illustrieren: Da Gott ausserhalb jeder Gattung ist, kann zwischen ihm und den Geschöpfen keine Ähnlichkeit bestehen, ebensowenig wie zwischen dem Unendlichen und dem Endlichen, denn "Gott ist von allem Seienden ununterschieden, so wie auch das Sein selbst von jeglichem Seienden ununterschieden ist [...]. Alles Geschaffene jedoch ist eben dadurch, dass es geschaffen ist, ununterschieden(*13)." In einer anderen Auslegung heisst es, dass "das Ununterschiedene vom Unterschiedenen mehr unterschieden ist als zwei beliebige Unterschiedene voneinander"(*14). Hiermit begründet Eckhart die absolute dissimilitas zwischen Schöpfer und jeglichem Geschöpf.
Doch "wenn man von der Kunst des Meisters sprechen will, so spricht man von dem Bilde, das er geschaffen hat; das Bild offenbart des Meisters Kunst"(*15). So begründet die absolute ontologische Abhängigkeit der Schöpfung gegenüber dem Schöpfer eine gewisse similitas. "Denn was ist dem anderen so ähnlich wie das, was das Sein ganz und gar aus der Hinordnung und der Beziehung auf das andere hat und empfängt, dessen ganzes Sein vom anderen hergeleitet und ihm nachgebildet ist?(*16)" So unterscheidet sich das Geschöpf nicht mehr vom Schöpfer und ist von seiner Ununterschiedenheit gewissermassen nicht mehr unterschieden, wie das Abbild vom Urbild, die Kunst vom Künstler, und die Traube vom Rebstock. Ein "poetisches Kompendium des Timaeus" (Josef Koch) aus dem 3. Buch vom Trost der Philosophie des Boethius bringt dafür das ausschlaggebende Argument:
fleckenlose Gestalt des Guten: das All vom Urbild
leitest du her;
du trägst im Geiste die Welt, nach deinem Bilde sie schaffend(*17).
Eine unendliche qualitative Distanz zwischen Gott und Schöpfung, sowie eine fast pantheistische Nähe finden sich in ein und der selben Auslegung. Schliesslich werden sie sogar in einem Satz zusammengefasst:
Weil er sich also durch seine Ununterschiedenheit unterscheidet und durch seine Unähnlichkeit ähnlich wird, sind sie um so ähnlicher, je unähnlicher sie sind. Je mehr auch einer vom Unaussprechbaren spricht, desto weniger spricht er von ihm, insofern es unaussprechbar ist, wie Augustin im 1. Buch von der christlichen Lehre sagt. So bejaht ferner die Zeit, wer die Zeit verneint, wie der Kommentator (Averroes, Phys. IV com. 124) sagt, denn das Verneinen der Zeit geschieht in der Zeit(*18).
Zwei verschiedene Perspektiven stehen einander gegenüber. Da der Intellekt auf beide nicht verzichten kann, bleibt ihm als Ausweg aus diesem Widerspruch die mystische Erfahrung.
4) Die "Nichtigkeit" der Kreatur
Ihr fragt oft, wie ihr leben sollt. Das sollt ihr hier mit Fleiss erkennen. Ganz ebenso, wie es hier von dem Bild gesagt wurde, sieh, so sollst du leben. Du sollst aus ihm sein und sollst für ihn (Gott) sein und sollst nicht aus dir sein und sollst nicht für dich sein und sollst niemand zugehören(*19).
So zu leben, wie es von dem Bild gesagt wird, heisst erst einmal, sich der Welt entbilden. Aus der oben genannten doppelten Perspektive der "ähnlichen Unähnlichkeit" aller weltlichen Dinge bedeutet das aber noch lange nicht, man solle das Weltliche schlechthin verachten. In folgenden zwei Sätzen sind wiederum beide Momente dieser nuancierten Haltung begründet: "Das Geringste, das man (als) in Gott erkennt, ja, erkennte man selbst (nur) eine Blume so, wie sie ein Sein in Gott hat, das wäre edler als die ganze Welt(*20)." Etwas weiter in der gleichen Predigt 8 fügt Eckhart hinzu "Ich sage: Dies sollte der Mensch begreifen und erkennen, dass das Sein so edel ist. Keine Kreatur ist so gering, dass sie nicht nach dem Sein begehrte. Die Raupen, wenn sie von den Bäumen herabfallen, so kriechen sie an der Wand hoch, auf dass sie ihr Sein erhalten. So edel ist das Sein(*21)."
Das göttliche Sein ist das Licht der Schöpfung und als solches auch die Grundlage aller Erkenntnis(*22). Aber wer es inquantum esse zu erkennen trachtet, sieht "Nichts" und tastet in der "Finsternis". Was ist diese Finsternis? Auch hier scheinen die Antworten und die semantischen Systeme einander zu widersprechen. Denn das unsichtbare Wesen Gottes ist zugleich das unsichtbare Wesen der Dinge.
Zum einen wird die Kreatur als das "reine Nichts" bezeichnet, welches ganz und gar vom Licht des göttlichen Seins abhängt: "Was wir an den Kreaturen suchen, das ist alles Nacht. Es ist wirklich meine Meinung: Alles, was wir an irgendeiner Kreatur suchen, das ist alles Schatten und Nacht. Selbst noch des obersten Engels Licht, so hoch es (auch) sei, es berührt doch nichts von der Seele. Alles, was das erste Licht nicht ist, das ist alles dunkel und ist Nacht(*23)."
Zum anderen heisst es aber: "Wer von Gott in irgendwelchem Gleichnis redet, der redet auf unlautere Weise von ihm. Wer aber mit nichts von Gott redet, der redet zutreffend von ihm(*24)." Meister Eckhart nimmt deshalb auch die mit der Bekehrung des Saulus (Apostelgeschichte 9,8) verbundene Erfahrung wörtlich: "Mit dem Lichte meint er nichts anderes, als dass er mit offenen Augen nichts sah. Damit, dass er nichts sah, sah er das göttliche Nichts(*25)." Denn: "Ich kann nicht sehen, was eins ist. Er sah nichts, das war Gott. Gott ist ein Nichts, und Gott ist ein Etwas. Was etwas ist, das ist auch nichts. Was Gott ist, das ist er ganz. Daher sagt der erleuchtete Dionysius, wo immer er von Gott schreibt, da sagt er: Er ist ein Über-Sein, er ist ein Über-Leben, er ist ein Über-Licht; er legt ihm weder 'dies' noch 'das' bei, und er deutet damit an, dass er, ich weiss nicht was, sei, das gar weit darüber hinaus liege (*26)."
Inmitten dieser "doppelten Finsternis" der einander umstürzenden metaphorischen Systeme, zwischen der nichtigen Opazität der Kreatur und dem "göttlichen Nichts" der abscondita dei(*27) finden sich der menschliche Verstand und der Wille. Sie erinnern an die unheimliche Finsternis, die Petrus und Johannes vor dem leeren Grabe empfunden haben (Joh. 20,8)(*28). "Er sah (Nichts) und er glaubte." Doch über des Grabes und des Glaubens Schwelle, jenseits von Wille und Verstand, führt der Weg zum über jedes Bild erhabenen, aller Bilder entbildeten Seelenfunken (Maria, als erste Augenzeugin des Auferstandenen) "schwanger vom Nichts wie eine Frau mit einem Kinde, und in diesem Nichts ward Gott geboren, der war die Frucht des Nichts(*29)."
5) Der ontologische Bildbegriff
Man könnte daher diesen Aufsatz mit einem "mystischen Schweigen" abschliessen. Doch um das bildhafte Verhältnis zwischen dem göttlichen Sein und dem geschöpflichen Sein zu verdeutlichen, soll nun der ontologische Ansatz in den Lateinischen Werken erforscht werden. Eckharts Vorrede zum Werk der Thesen ("Das Sein ist Gott.") kann zum besseren Verständnis der Bildlehre dienen. Das Verhältnis zwischen Sein und Seiendem so wie das Verhältnis zwischen Urbild und Abbild, sowie das Verhältnis zwischen den semantischen Polen des Bildbegriffes, können so wohl auf gleiche als auch vertauschbare Weise (convertibiliter)(*30) ausgelegt werden: ens solum esse significat "seiend bezeichnet allein das Sein"(*31). Die Beziehung zwischen "seiend" (ens) und "Sein" (esse) ist dabei so zu deuten, dass das "Seiende" nur ein Zeichen (oder Abbild) des Seins ist, "wie der (am Wirtshaus aushängende) Kranz, der nichts vom Wein in sich hat, den Wein (sicut circulus vinum, qui nihil vini in se habet). Seiendes aber oder Sein und jede Vollkommenheit, besonders jede allgemeine, wie Sein, Eines, Wahres, Gutes, Licht, Gerechtigkeit und dergleichen, werden von Gott und den Geschöpfen analog ausgelegt(*32)." Dieser Hinweis auf die Analogielehre führt wiederum direkt zum Paradox vom ähnlich/unähnlichen Verhältnis zwischen Gott und jeglichem Geschöpf.
Ontologisch ausgedrückt heisst das bei Meister Eckhart, man solle anders über das Seiende als solches und über "das Sein an sich und schlechthin ohne nähere Bestimmung (de esse absolute et simpliciter nullo addito), als über das Sein dieses oder jenes (Seienden)" urteilen. Den vier "oder mehr" oben genannten Thesen der allein auf das Urbild bezogenen Abbildlehre kann man also die vier sehr gründlich ausgelegten Thesen aus der Vorrede zum Werk der Thesen gegenüberstellen:
Einleitend ist also zu bemerken: erstens, dass Gott allein im eigentlichen Sinne Seiendes, Eines, Wahres und Gutes ist; zweitens, dass von ihm alles Sein, Einheit, Wahrheit und Gutheit hat; drittens, dass alles von ihm unmittelbar hat, dass es ist, dass es eines, wahr und gut ist. Viertens, wenn ich sage: dieses Seiende oder dies und das Eine oder dies und das Wahre, so fügen oder legen 'dies' und 'das' nichts weiter an Seinsgehalt, Einheit, Wahrheit oder Gutheit zum Seienden, Einen, Wahren und Guten hinzu(*33).
Bei dieser Auslegung könnte also das Sein (esse) oder das Seiende als Seiendes (ens inquantum ens) die Stellung des Urbildes einnehmen, wobei das ähnlich/unähnliche Abbild als "dies oder das Seiende" (ens hoc aut hoc) gekennzeichnet ist. Das Abbild ist also dem Urbild ähnlich und wesensgleich, weil es "seiend" ist, und deshalb am Urbild-Sein teilnimmt; doch ist es zugleich dem Urbild unähnlich und wesensfremd, weil es ein unterschiedenes "dies oder das" (hoc aut hoc) ist. Während die erste These das eigentliche Leitmotiv (Esse deus est) seiner Auslegung unter anderem mit Ex. 3,14 (ego sum qui sum) begründet, befassen sich die zweite und dritte These damit, dass alle Dinge das Sein unmittelbar und "ohne jede fernere Vermittlung" von Gott allein beziehen: "Wie nämlich hätte etwas Sein ausser vom Sein?" und "Wie könnte etwas sein, wenn zwischen es und das Sein ein Mittleres träte und es folglich draussen, gleichsam abseits, ausserhalb des Seins stünde?"
Die Auslegung der vierten These ist für unseren abschliessenden Vergleich von Bildlehre und Seinslehre besonders wichtig:
Was aber gesagt worden ist, dass nämlich alles und jedes Seiende von Gott selbst unmittelbar sein ganzes Sein, seine ganze Einheit, Wahrheit und Gutheit habe, wird wiederum so erklärt: es ist unmöglich, dass irgendein Sein oder irgendeine unterschiedene Seinsweise dem Sein selbst fehle oder abgehe. Eben dadurch, dass es dem Sein fehlt oder abgeht, ist es nicht und ist es nichts. Gott ist aber das Sein. [...]
Dem Seienden selbst oder dem Sein selbst kann also kein Seinsgehalt überhaupt abgesprochen werden. Deswegen kann von Seienden selbst, das heisst von Gott, nichts verneint werden ausser vermittels der Verneinung der Verneinung alles Seins. [...]
Dies und das Seiende (ens hoc aut hoc), dies und das Eine, dies oder das Wahre, dies oder das Gute fügen oder tragen also, insofern sie dies und das sind (in quantum hoc vel hoc), nichts an Seinsgehalt, Einheit, Wahrheit und Gutheit (zum Sein, Einen, Wahren und Guten) bei. Das ist der vierte oben aufgestellte Grundsatz. Mit dieser Behauptung nehmen wir aber den Dingen nicht das Sein noch zerstören wir ihr Sein, sondern geben ihnen erst den rechten Halt (Hoc autem dicentes non tollimus rebus esse nec esse rerum destruimus sed statuimus).
Dem "dies oder das Seienden" (ens hoc aut hoc) als "dies" und "das" (in quantum hoc vel hoc) das Sein absprechen heisst also nicht, das "dies oder das Seiende" zerstören und "zu Nichte"(*34) sprechen. Ganz im Gegenteil: es heisst viel mehr dem Seiendem als Seiendes (ens inquantum ens) das göttliche Sein selbst zuzusprechen. Dabei erhält nämlich das mannigfaltige "dies oder das" Sein der erschaffenen Dinge erst wirklich in seiner "dies oder das seienden" Seinsweise das absolute und göttliche Sein. Sein Bestehen als "dies oder das Seiendes" ist damit im unmittelbaren Wesen des göttlichen Seins selbst begründet.
Indem man die unmittelbare Gegenseitigkeit von Bildlehre und Seinslehre erkennt, kann man verstehen, warum die Entbildung, als "Verneinung der Verneinung" aller Bilder wahrhaftig eine eminent Bild-bejahende "Verneinung" der Bilder ist: das "zu Nichte" sprechen der Abbildhaftigkeit des Abbildes führt unmittelbar zur Erkenntnis der Seinsfülle des Urbildes, wodurch das Abbild selbst, auch als "dies oder das" Abbild erst wirklich metaphysisch bestehen kann. Dadurch ist also auch das Sein des Bildes als "dies oder das Seiende" in dem göttlichen "Ich" als des êrsten gotes isticheit begründet(*35).
6) Eine Theorie der Metapher
Ein anderer Aspekt des semantischen Bildkonglomerats bei Eckhart, ist der ausgiebige Gebrauch von Metaphern. Besonders wenn es darum geht, das Bildlose zu beschreiben. Geht es um das Unaussprechliche im Seelengrunde, dann sollte man schweigen. (Vgl. Wittgenstein.) Und doch kann es Meister Eckhart nicht lassen, gerade von den ineffabilia des Seelengrundes fortwährend zu sprechen. Zum Teil in Anlehnung an ältere Überlieferungen, verwendet er Metaphern wie "Tempel der edlen Seele" (DW I, 13,3), bürgelîn (42,2) - die damals auch als erotische Metapher gebraucht wurde(*36) - , "Oberster Teil der Seele" (54,4), "Das innerste der Seele" (66,6), "Das eigen Bild der Seele" (165,3), "Das vünkelîn der Seele" (311,11), "Das licht der Seele" (319,12), usw.
Ähnliche Metaphern des Seelengrundes gibt es schon im Neuplatonismus und in der Stoa. Wie die vom Seelenfunken, (scintilla animae, apex mentis, synderesis). Bei den Stoikern ist die Seele wie ein Funke (apospasma) aus dem kosmischen Feuer.(*37) Und genauso wie in der traditionellen Auffassung das Bild (Abbild) auf das Muster (Urbild) deutet, weist auch das metaphorische Bild auf etwas anderes als das, was es aus sich selbst ist. Aufgrund dieser Eigenschaft kann man sagen, dass jede Metapher Auskunft über drei Bereiche gibt:
1) über den Anblick auf das eigentlich Sichtbare, aus dem das Bild entnommen ist.
2) über die Absicht, welche als Metapher "darüber hinaus" vom konkreten Anblick ab-sieht (sich der konkretheit des Bildes entbildet).
3) und schliesslich über den Abstand zwischen den beiden ersten, und also auch über die Weise wie das Verhältnis zwischen Anblick und Absicht verstanden werden kann (Analogielehre: bei Eckhart so weit auseinander wie "der himel ob der erde" - und doch zugleich in unmittelbarer Beziehung und "einicheit âne underscheit")(*38).
Vom Anblick ausgehend ist also eine Metapher des Unsichtbaren (MdU) nicht unbedingt "Etwas, das man nicht photographieren kann". Eigentlich könnte also nicht nur "entbilden" (dynamisch), sondern jedes Bild (statisch) als Metapher des Unsichtbaren gesehen werden. Ausschlaggebend ist wie man das Bild gebraucht. So ist selbst eine Photographie - zum Beispiel eines Kolloquiums über die Metapher - nicht unbedingt aus dieser Kategorie auszuschliessen. Zunächst zeigt ein solches Photo ein Ereignis, das im Bilde festgehalten, aber dessen tieferer Inhalt unsichtbar ist: Man sieht zwar die Teilnehmer eines Kolloquiums, weiss aber nicht worüber sie sprechen. Das Sichtbare weist auf den unsichtbaren, sinngebenden Kern des Geschehens hin. Zweitens hält das entwickelte Bild für den Betrachter einen längst vergangenen Augenblick fest, - sei es in fünfhundert Jahren oder schon in sieben Tagen. Auch in diesem konkreten Sinn könnte eine Photographie als Metapher des nicht (mehr) Sichtbaren gelten.
Auch die bei Meister Eckhart am häufigsten vorkommenden Metaphern dieser Art sind besonders "anschaulich", wie zum Beispiel das bürgelîn der Predigt 2 - wobei das, was als Absicht darüber hinaus (= Metapher) gemeint ist (wie bei Novalis) durch "tausend Bilder" angedeutet, und doch durch keines festgehalten werden kann:
Ich habe bisweilen gesagt, es sei eine Kraft im Geiste, die sei allein frei. Bisweilen habe ich gesagt, es sei eine Hut des Geistes; bisweilen habe ich gesagt, es sei ein Licht des Geistes; bisweilen habe ich gesagt, es sei ein Fünklein. Nun aber sage ich: Es ist weder dies noch das, trotzdem ist es ein Etwas, das ist erhabener über dies und das als der Himmel über der Erde. Darum benenne ich es nun auf eine edlere Weise, als ich es je benannte, und doch spottet es sowohl solcher Edelkeit wie der Weise und ist darüber erhaben. Es ist von allen Namen frei und aller Formen bloss, ganz ledig und frei, wie Gott ledig und frei ist in sich selbst. Es ist so völlig eins und einfältig, wie Gott eins und einfältig ist, so dass man mit keinerlei Weise dahinein zu lugen vermag. Jene nämliche Kraft, von der ich gesprochen habe, darin Gott blühend und grünend ist mit seiner ganzen Gottheit (...)(*39)
Es findet sich offenbar, gerade in der transzendenten Metaphorologie des Thüringer Meisters, eine bemerkenswerte Immanenz. Durch das Spannungsfeld zwischen Anblick und Absicht entsteht der eigentliche Widerspruch dieser bildhaften Jenseitssprache: Denn es mag wohl paradox erscheinen, dass Meister Eckhart sich gerade dann am liebsten auf Metaphern beruft, wenn es darum geht, das Bildhafte zu transzendieren. Das ist das besondere Kennzeichen dieser Sprache, die ganz darauf ausgerichtet ist, die unmittelbare Erfahrung des "Seelengrundes" zu beschreiben(*40).
Wie in folgender Variante aus der selben Predigt 2: "In dieser Kraft (Bürglein, Fünklein) ist Gott ganz so grünend und blühend in aller Freude und in aller Ehre, wie er in sich selbst ist." Zu diesem grüenenden und blüejenden Erfahrungsbereich der significatio mystica gehört also auch der gesamte Wortschatz der "Morgenerkenntnis" und auch dessen Gegenüberstellung zur "Abenderkenntnis" mit den "Bildern mannigfaltiger Unterschiedenheit" (Buch der göttlichen Tröstung). Und in dieser Hinsicht spielen nicht allein die bildhaft-statische significatio mystica, sondern auch jene dynamische Metaphorik der Entbildung, als Metapher des Unsichtbaren par excellence, eine ganz wesentliche Rolle: denn der metaphorische Aufstieg zum Bildlosen weist auf eine Überwindung der Metaphorik selbst - schon allein deshalb, weil es hier nicht nur um Sprache geht, sondern, letzten Endes, um das "ungesprochen inneblîbende": "Was ist das letzte Ende (Endziel)? Es ist die verborgene Finsternis der ewigen Gottheit und ist unbekannt und war nie bekannt und wird nie bekannt werden(*41)."
7) Der Maibaum und das Kruzifix
Zwischen der botanischen Metapher des Baumes und dem geistlichen Andachtsbild des Kruzifix besteht ein alter Zusammenhang, der häufig hervorgehoben wird(*42).
Ist der Baum nicht das von der Natur gegebene, schönste Gleichnis einer Verbindung zwischen Himmel und Erde? Dem stimmt auch Eckhart bei: "und waz dâ vermenget ist mit der erde, als loup und gras und böume: daz treget in im eine glîcheit des himels"(*43). Das man das natürliche Bild des Baumes auch mit dem "übernatürlichen Sinnbild" des Kreuzes in Zusammenhang bringen kann, zeigt folgender Auszug aus der autobiographischen Vita des Eckhartschülers Heinrich Seuse:
Wie er den Mai feierte
Am Vorabend des Monatsbeginns (also zur Nacht der "Heiligen Walpurgis"!) begann er gewöhnlich damit, dass er einen geistlichen Maibaum aufrichtete und den täglich einmal eine geraume Zeit lang ehrte. Unter all den schönen Zweigen, die je gewachsen waren, konnte er nichts dem schönen Mai Ähnlicheres finden als den herrlichen Querbalken des heiligen Kreuzes, der mehr Gnaden und Tugenden erblühen lässt und alle schöne Zier, als je ein Maibaum hervorgebracht. Sechsmal warf er sich davor zu Boden, und betrachtend gab er dabei jedesmal dem Verlangen Ausdruck, den geistlichen Maibaum mit dem Schönsten zu zieren, was der Sommer bringen konnte. In seinem Inneren sprach und sang er vor dem Maibaum die Hymne (Salve crux sancta) : "Sei gegrüsst, himmlischer Maibaum der ewigen Weisheit, an dem die Frucht der ewigen Seligkeit entsprossen ist!" Zum ersten biete ich dir statt aller roten Rosen herzliche Zuneigung; sodann: für alle kleinen Veilchen ein demutsvolles Verneigen; ferner an Stelle aller zarten Lilien eine lautere Umarmung; für alle schon in Schönheit glänzenden und leuchtenden Blumen, wie sie keine Heide, kein Anger, weder Wald noch Au, nicht Bäume oder Wiesen in diesem schönen Mai hervorgebracht, je hervorbrachten oder hervorbringen werden, bietet dir mein Herz ein geistliches Küssen; weiterhin: statt aller kleinen Vöglein anmutigem Gesang, wie sie es auf keinem Maienzweig frischweg gesungen haben, entbietet dir meine Seele ein unergründliches Lob; an Stelle aber aller Zier, die keinen zeitlichen Maienbaum je geschmückt, erhebt dich mein Herz mit geistlichem Gesang, und ich bitte, gesegneter Maibaum, mir zu helfen, in dieser Endzeit dich so zu loben, dass ich dich, die lebende Frucht, ewig werde geniessen dürfen.
So feierte er den Beginn des Maimonats(*44).
Diese überraschende christliche Deutung alter heidnischer Frühlingsfeste gibt einen aussergewöhnlichen Einblick in das Entstehen des Andachtsbildes.
Laut Kunsthistorikern wie Erwin Panofsky (u. A.), ist die Kategorie "Andachtsbild" - insbesondere jene des kreuztragenden Christus - erst im späten Mittelalter entstanden. Als biblische Darstellung zur Erweckung frommer Gedanken und Entschlüsse, zwischen "vergegenständlichtem Historienbild" und "verbeweglichtem Representationsbild", lag seine neue historische Bedeutung vor allem darin, dass es dem religiösen Verkehr des Einzelnen mit Gott unmittelbar dienen konnte(*45).
Dazu ist zu bemerken, dass ein solches Andachtsbild inhaltlich eher der Vorstellungswelt Seuses als jener Meister Eckharts entspricht. Denn "bei dem Dominikanermönch Heinrich Seuse (1295-1366) steht das Nacherleben der Leiden Christi an hervorragender Stelle. Es gibt für ihn nur den Weg zu Gott durch die Versenkung in sein Martyrium. Innerhalb der Gesamtbetrachtung der Marter des Herrn kommt wiederum dem Kreuztragen im wörtlichen wie übertragenen Sinne eine bemerkenswerte Bedeutung zu(*46)."
Wie sekundär hingegen eine gewisse (falsche) Idee der Andacht "im Hinblick auf die äussere Welt" oder selbst "um des Himmelreiches Willen" bei Eckhart verstanden werden kann, zeigt auch folgendes Zitat:
Denn wahrlich, wenn einer wähnt, in Innerlichkeit, Andacht, süsser Verzücktheit und in besonderer Begnadung Gottes mehr zu bekommen als beim Herdfeuer oder im Stalle, so tust du nicht anders, als ob du Gott nähmest, wändest ihm einen Mantel um das Haupt und schöbest ihn unter eine Bank. Denn wer Gott in einer bestimmten Weise sucht, der nimmt die Weise und verfehlt Gott, der in der Weise verborgen ist. Wer aber Gott ohne Weise sucht, der erfasst ihn, wie er in sich selbst ist; und ein solcher Mensch lebt mit dem Sohne, und er ist das Leben selbst(*47).
Bei Eckhart wird das Wort ûfheben ebenfalls in Zusammenhang mit dem Kreuztragen gebraucht. Doch scheint für ihn vor allem Christus der Erlöser, nicht so sehr der Kreutztragende Christus, im Mittelpunkt seiner Frömmigkeit zu stehen. Deshalb kann pardoxer weise das Kreuztragen bei ihm als ein "Ablegen" des Kreuzes verstanden werden. Als Äquivalent von tolle crucem, ist nämlich hier mit ûfheben nicht wie üblich gemeint, dass man sein Kreuz "auf sich nehmen" soll, sondern vielmehr, dass man sein Kreuz "abtun" und "ablegen" soll: 'swer wil komen ze mir [...] sol sîn criuze ûfheben', daz ist: er sol abelegen und abetuon allez, daz criuze und leit ist(*48).
Dieses Beispiel bestätigt auch eine thematische Verwandtschaft der Wörter ûfheben und entbilden. Zusammen mit revelare findet das lateinische Verbum tollere in folgendem Zitat einen mit der Entbildung verwandten Gebrauch:
Oder sprich: die Herrlichkeit wird offenbart werden (revelabitur gloria), weil in der Seligkeit die Herrlichkeit selbst enthüllt wird (revelatur). Jeder Schleier wird weggenommen (tollitur omne velamen) - das liegt im Wesen der Herrlichkeit - wie zum Beispiel auch der Schleier des Guten, unter dem der Wille (Gott) begreift, der Schleier des Wahren, mit welchem der Intellekt (Gott) begreift, und ganz allgemein den Schleier des Seins selbst. Demnach ergreift der Wille eine Sache zuerst in Form ihrer stärkeren Verborgenheit im Guten, der Intellekt aber begreift das Seiende früher als das Wahre, aber trotzdem ist die (im Seienden verborgene) Wahrheit mit dabei. Hieraus wird die Eminenz des Intellekts deutlich, und folglich auch, dass die Seligkeit besser im Akt des Intellekts anzusetzen ist. Aber weil jeder Schleier weggenommen wird, ist sie vielleicht noch besser im blossen Wesen der Seele selbst anzusetzen(*49).
Wenn also eine offenkundige Verwandtschaft zwischen ûfheben, tollere, revelare und entbilden besteht, so kann man doch diese Wörter nicht ohne weiteres mit dem Hegelschen Gebrauch von "Aufhebung" verknüpfen. Bei Meister Eckharts "Dialektik" wäre es darum passender, das eher seltene Wort ûfheben nicht umzudeuten, sondern auf den viel öfter auftauchenden Begriff der "Erhebung" zurückzugreifen, nämlich [...] daz man mit der veder des verstantnisses ûfvliege und erhebe die vernunft gegen got und werde übergevüeret von klârheit ze klârheit und mit klârheit in klârheit(*50).
8) Depressive und göttliche Reue
Ein ähnlich unerhörter Gedanke wird auch im 13. Kapitel der Reden der Unterweisung entwickelt, wenn es darum geht, den Unterschied zwischen der sinnlichen und der göttlichen Reue zu klären: "Es gibt zweierlei Reue, die eine ist zeitlich oder sinnlich, die andere ist göttlich und übernatürlich. Die zeitliche zieht sich immerfort hinab in grösseres Leid und versetzt den Menschen in solchen Jammer, als ob er gleich jetzt verzweifeln müsse, und dabei beharrt die Reue im Leid und kommt nicht weiter; daraus wird nichts(*51)."
Eine solche zeitliche und sinnliche Reue - psychologisch würde man wohl heute von einer "depressiven Reue" sprechen - ist zunächst unvermeidlich und notwendig, um zu akzeptieren, dass alles anders geworden ist. Um wieder zu einer positiven Lebenseinstellung zu gelangen, muss aber dieser Zustand depressiver Reue überwunden werden:
Die göttliche Reue aber ist ganz anders. Sobald der Mensch ein Missfallen empfindet, sogleich erhebt er sich zu Gott und versetzt sich in einen unerschütterlichen Willen zu ewiger Abkehr von allen Sünden. Und daraus kommt eine geistige Freude, die die Seele aus allem Leid und Jammer erhebt und sie fest an Gott bindet. Denn je gebrechlicher sich der Mensch findet und je mehr er gefehlt hat, desto mehr Ursache hat er, sich mit ungeteilter Liebe an Gott zu binden, bei dem es keine Sünde und Gebresten gibt. Die beste Stufe drum, auf die man treten kann, wenn man in voller Andacht zu Gott gehen will, ist: ohne Sünde zu sein, kraft der göttlichen Reue. [...] Und je grösser und je schwerer die Sünden sind, um so unermesslich lieber vergibt sie Gott und um so schneller, weil sie ihm zuwider sind. Und wenn dann die göttliche Reue sich zu Gott erhebt, sind alle Sünden bälder verschwunden im Abgrund Gottes, als ich mein Auge zutun könnte, und sie werden dann so völlig zunichte, als seien sie nie geschehen, dafern es nur eine vollkommene Reue wird(*52).
Im vorgehenden Kapitel erklärt Eckhart: "Fürwahr, Sünden getan zu haben ist nicht Sünde, wenn sie uns leid sind(*53)." Solche Äusserungen könnten allerdings falsch verstanden werden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass ein ähnlicher Satz - in überspitzter Form und ohne dialektisch ausgleichenden Kontext - im 15. Artikel der Bulle In agro donimico, vom 27. März 1329 verdammt wurde: "Wenn ein Mensch tausend Todsünden begangen hätte, und es wäre ein solcher Mensch in rechter Verfassung, so dürfte er nicht wünschen, er hätte sie nicht begangen(*54)."
Doch dürfte man nicht ohne weiteres daraus schliessen, dass es für Eckhart keine Sünde gibt, denn: "Nicht soll der Mensch Sünde tun wollen, nicht um alles, was in Zeit oder in Ewigkeit geschehen mag [...](*55)", aber "wer recht in den Willen Gottes versetzt wäre, der sollte nicht wollen, dass die Sünde, in die er gefallen, nicht geschehen wäre(*56)." Eckharts kühne Überlegungen über die ganz persönliche und "allzu menschliche" Erfahrung mit der Reue entsprechen einer tiefen psychologischen Einsicht. Denn könnte nicht gerade diese antithetisch dramatisierende, und doch zugleich feinfühlige Thematisierung der Reue zur Entwicklung eines grösseren Verantwortungsbewusstseins führen - um erst einmal das "Beharren der Reue im Leid" zu heilen, und daraus einen lebensbejahenden "Mut zum Neubeginn" werden zu lassen?
Meister Eckhart scheint jedenfalls davon überzeugt zu sein. Sein "Entbilden" ist gewissermassen auch ein seelisches Trümmerräumen. Ein erneuerndes "Entlernen". Der Aufstieg ist im Abstieg geborgen, und der göttliche Mut ist die De-Mut (althochdeutsch: dio-muoti), als Erfahrung des Seelengrundes. Dort ist laut Eckhart die Höhe und die Tiefe eins.
9) Vita activa und vita contemplativa
Wie schon Platon im Höhlengleichnis, weiss auch Eckhart, dass die Vollendung des tugendlichen Schauens nicht ohne eine Rückkehr in das aktive Leben möglich ist. In der Predigt 86 rehabilitiert er deshalb auch die missachtete Rolle der Martha. Die bekannte Episode aus Lukas 10, 38-40 wird nämlich meist als Beispiel der Überlegenheit des contemplativen Lebens (Maria) über dem aktiven Leben (Martha) verstanden. Ohne den von Maria auserwählten "besseren Teil" zu leugnen, interessiert sich Eckhart vorwiegend für Marthas Persönlichkeit, deren grössere existentielle Reife er immer wieder hervorhebt:
Martha kannte Maria besser als Maria Martha, denn sie hatte (schon) lange und recht gelebt; denn das Leben schenkt das edelste Erkennen. Das Leben erkennt besser als Lust oder Licht (es vermögen) alles, was man in diesem Leben unterhalb Gottes erlangen kann, und in gewisser Weise reiner, als es das Licht der Ewigkeit zu verleihen vermag. Das Licht der Ewigkeit (nämlich) lässt uns immer (nur) uns selbst und Gott erkennen, nicht aber uns selbst ohne Gott; das Leben aber gibt uns selbst zu erkennen ohne Gott (unter Absehung von Gott). Wo es (das Leben) aber nur sich selbst im Blick hat, da nimmt es den Unterschied von Gleich und Ungleich schärfer wahr. Das bezeugen Sankt Paulus (einerseits) und andrerseits die heidnischen Meister: Sankt Paulus schaute in seiner Verzückung Gott und sich selbst in (rein) geistiger Weise; und doch erkannte er in ihm nicht anschaulich eine jegliche Tugend in bildhafter Anschauung; und das kam daher, weil er sie (vor seiner Bekehrung) nicht in Werken geübt hatte. Die (heidnischen) Meister (hingegen) gelangten durch Übung der Tugenden zu so hoher Erkenntnis, dass sie eine jegliche Tugend anschaulich genauer erkannten als Paulus oder irgendein Heiliger in seiner ersten Verzückung(*57).
Die geistige Haltung Marthas wird auch dadurch beschrieben, dass sie mit ihrer Aufmerksamkeit "bei den Dingen" wirkt, ohne dass die Dinge in ihr sind. Sie ist also nicht im aktiven Leben verloren gegangen. Obwohl sie "in rechter Sorge" in der äusseren Welt wirkt, ist sie dennoch im Sein "am Umkreis der Ewigkeit" verwurzelt. Und weil sie in dieser inneren Gelassenheit ruht, lässt sie sich bei ihrem Tun nicht stören: "Daher sprach er: 'Du bist sorgsam (umsichtig tätig)' und meinte (damit): Du stehst bei den Dingen, nicht aber stehen die Dinge in dir. Die aber stehen besorgt (= in rechter Sorge), die in allem ihrem Tun unbehindert stehen. Unbehindert (aber) stehen die, die alle ihre Werke ordnungsgemäss nach dem Vorbild des ewigen Lichtes ausrichten; und diese Leute stehen bei den Dingen und nicht in den Dingen. Sie stehen ganz nahe (bei den Dingen) und haben (doch) deswegen nicht weniger, als wenn sie dort oben am Umkreis der Ewigkeit stünden(*58)."
Für Eckhart kommt es also darauf an, einem einseitig ekstatisch contemplativen Leben (Maria) entgegen zu wirken, indem man die Werke des tätigen Lebens (Martha) aufwertet, ohne deswegen den grösseren Wert des tugendlichen Schauens zu leugnen.
In einer anderen Predigt erklärt Eckhart, dass es zwei Weisen der Erkenntnis gibt, die den beiden Augen, als dem "doppelten Blick" der Seele entsprechen:
Die Seele hat zwei Augen, ein inneres und ein äusseres. Das innere Auge der Seele ist jenes, das in das Sein schaut und sein Sein ganz unmittelbar von Gott empfängt: dies ist sein ihm eigenes Werk. Das äussere Auge der Seele ist jenes, das da allen Kreaturen zugewendet ist und sie in bildhafter Weise und in der Wirkweise einer Kraft wahrnimmt. Der Mensch aber nun, der in sich selbst gekehrt wird, so dass er Gott in dessen eigenem Geschmack und in dessen eigenem Grunde erkennt, ein solcher Mensch ist befreit von allen geschaffenen Dingen und ist in sich selber beschlossen in einem wahren Schlosse der Wahrheit(*59).
Während das geöffnete Auge die Aussenwelt wahrnimmt; blickt das geschlossene Auge nach innen in das "unmittelbare Wesen", ohne äussere Bilder - sogar durch und jenseits der inneren Bilder und Vorstellungen. Dazu sagt Eckhart: "Das ist das eigentliche Bild der Seele, wo nichts aus- noch eingebildet wird, ausser was Gott selbst ist(*60)."
Jedoch sollte man die Bereiche der inneren und äusseren Erfahrung nicht mit Maria oder Martha gleichsetzen. Auch wenn das innere Auge dem contemplativen Leben, dem Leben der Maria entspricht, so ist das Leben Marthas nicht einfach das Gegenteil von Marias Leben, kein nur aktives Leben - sondern beides. Weil Martha in beiden Lebensweisen wirkt, spiegelt sich der oben erwähnte "doppelte Blick" gerade in ihr Vollständig wider.
Diese ausgewogene Betrachtung, die einer gesunden Lebenserfahrung entspricht, zeigt sich nicht erst in Eckharts aussergewöhnlichen Predigt 86. Es ist bisher unbemerkt geblieben, dass man sie in einer berühmten Buchmalerei wiederfindet, die die Niederschrift der Visionen von Hildegard von Bingen darstellt (Abbildung 1): mit offenen Augen (in Wirklichkeit könnten sie ebensogut geschlossen sein, weil laut ihren eigenen Berichten ihr Wissen dem innersten ihrer Seele entspringt), befindet sich Hildegard in einem contemplativen und visionären Zustand (wie Maria). Zugleich scheint ihre geistige Tochter Richardis von Stade so wohl nach aussen als auch nach innen zu blicken, in die Quelle der inneren Erkenntnis. Die gleiche Quelle, die sich allegorisch über dem Gesicht der Hildegard befindet. Es hat den Anschein, als würde der Tochter Richardis seltsam geschlossenes Auge in Wirklichkeit die Integration der vita contemplativa in der vita activa verkörpern(*61).
Kulturphilosophisch interessant ist in dieser Hinsicht auch die aussagekäftige Lithographie von Otto Dix (Abbildung 2), bei der viel mehr zu sehen ist als bloss der vorgegebene "Einäugige Bauer"(*62): nämlich ganz offensichtlich die synkretistische Verschmelzung einer biblischen mit einer mythologischen Figur.
Damit experimentierfreudige Leute nicht mit einem zugekniffenen Auge auf der Strasse herumlaufen - was nicht nur grotesk wirken würde sondern auch die Verkehrssicherheit gefährden könnte - ist noch zu bemerken, dass solche Darstellungen ausschliesslich symbolisch, also im Sinne der oben besprochenen Thematik verstanden werden sollten. Selbst der "lasterhafte Dix" wollte mit seinem Bild vielleicht nur ausdrücken, dass der bärtige "Allvater Abraham" (der übrigens auch ein Bauer war) oder der (seit dem 12. Jahrhundert ikonographisch belegte und vermutlich aufgrund einer Fehlübersetzung der Vulgata entstandene)(*63) Hörner tragende "Völkerwanderer Moses" als eine Art Odin dargestellt werden könnte. Wobei zu bemerken ist, dass beim eddischen Allvater ebenfalls die Einäugigkeit nicht als ein Merkmal des später hinzugekommenen kriegerischen Wesens (gleich der Augenbinde eines "Piraten") sondern als ein Zeichen der inneren Erkenntnis ursprünglich gedeutet wurde(*64).
10) Eine Etappe im Erwachen des spirituellen Lebens
Wir haben nun verschiedene Aspekte der Bildfrage bei Meister Eckhart beleuchtet: dessen Rolle im "tugendlichen Schauen", die Vielschichtigkeit des Bildbegriffes und die daraus abgeleitete wesentliche Bedeutung des Entbildetwerdens (womit das "in der Verborgenheit liegende Bild" freigelegt wird)(*65); und wir haben auch die damit verknüpften Fragen, vom alttestamentarischen Bildverbot bis zu einem ontologischen Bildbegriff hin behandelt; dabei noch aus einer anderen Perspektive die Problematik der Metaphern aufgegriffen sowie den Zusammenhang zwischen der botanischen Metapher des Baumes und dem geistlichen Andachtsbild des Kruzifix betrachtet; schliesslich haben wir die "depressive Reue" als ein Harren in den äusseren Bildern und die "göttliche Reue" als eine Art Entbildetwerden gedeutet; zuletzt haben wir die Notwendigkeit einer Rückkehr zu den Bildern als eine Integration der Vita contemplativa in der Vita activa mit der Lehre von den zwei Augen der Seele anhand von zwei visuellen Beispielen (Hildegard von Bingen und Otto Dix) besprochen. Man kann zusammenfassend feststellen, dass es in dieser Problematik des Bildes nicht an vielfältigen Paradoxen fehlt, deren Themenfülle noch lange nicht ausgeschöpft ist.
Beim christlichen Meister Eckhart, wie in vielen anderen Religionen, soll der Bildbegriff zunächst als Etappe im Erwachen des spirituellen Lebens verstanden werden. Selbst im Streben nach einem Bilde jenseits aller Bilder zeigt Eckhart, dass es nicht notwendig ist, einen Erkenntniszustand zu zerstören um zu einem anderen zu gelangen. Damit verfiele man dem Irrtum der Ikonoklastik. Eckharts Auffassung kann man eher als "Ikonosophisch" bezeichnen. Durch ein inneres "sich der Bilder Entblössen" sucht Eckhart die Weisheit des göttlichen Bildes (Logos) in der Seele zu offenbaren. Dieser "Durchbruch zur Gottheit" ist zwar eine Erhebung über die Sphäre der gesamten Schöpfung - auch der Bilder - aber keineswegs ein Leugnen der Vielschichtigkeit oder gar ein Vernichten des immanenten Bestehens aller weltlichen Dinge.
Im Mittelalter wie heute ist das Bild auch eine Etappe im Erwachen des sinnlichen Lebens. Das gilt besonders für den Bereich der Kunst. Es ist eine Art Freundschaft oder Liebe die das Medium mit dem Muster verbinden; ein als Abbild, Abdruck oder "Kuss" sich zu eigen gemachtes Urbild, Vorbild oder Modell. Dieses Erwachen der Sinnlichkeit steht nicht unbedingt im Widerspruch zum spirituellen Leben, "denn jegliche Kreatur ist voll Gottes und ist ein Buch"(*66). Doch besteht auch immer die Sehnsucht nach der Jenseitigkeit eines solchen Bildes. Bis in die abstrakte Kunst hinein, die das Bild als eigenes "Jenseits" verkörpert. Hier trachtet der Künstler danach, jegliche Referenz zum Urbild oder Muster zu überwinden. Umgekehrt versucht Eckhart das Abbild zu übersteigen, und so die Seele dem göttlichen Urbild anzugleichen.
Im Grunde ähneln sich gerade diese extremen Bestrebungen, indem sie versuchen, die Dualität zwischen Abbild und Urbild (also bei Eckhart: die Dualität zwischen Schöpfer und Geschöpf) zu überwinden. Man kann sagen, dass im Grunde jedes Bild per definitionem nach einem transzendenten oder immanenten Jenseits, beziehungsweise Diesseits, des eigenen Wesens strebt.
So zieht - auch aus dem Gesichtspunkt der Sinnlichkeit heraus - ein anonymer Student (vermutlich ein Zeitgenosse Meister Eckharts) dem illusorischen Charakter eines gemalten Bildes ganz selbstverständlich die Wirklichkeit des "leibhaftigen Urbildes" vor. Das heisst, den roten Mund seiner Geliebten: "Nimm, ô Blume die Blume!" Wobei er zum Abschluss folgendes bemerkt:
Die Blume im Bilde ist keine Blume, nur eine Figur;
Wer eine Blume malt, malt nicht ihre duftige Natur.
(Flos in pictura non est flos, immo figura;
Qui pingit florem, non pingit floris odorem.
- Carmina Burana 186)
Andrerseits ist erst recht im geistlichen Bereich das Verständnis der Bilder nicht zu verachten. Ihr Zauber und ihre "Macht" bestehen aber gerade darin, dass sie die Vernunft und das Gemüt auf ein unsichtbares Jenseits richten. Dank dem göttlichen Funken im Auge des Betrachters lassen sie etwas von einer geheimnisvollen Wesensverwandschaft erkennen, die man auf dem ersten Blick nicht findet. So wohl für Eckhart als auch für Angelus Silesius, liegt deshalb der göttliche Sinn des offenbarten Marienbildes in der Seele des Betrachters verborgen:
Was sinnest Du so tief?
Das Weib im Sonnenschein
Das auf dem Monde steht
Muss deine Seele sein.
(Der cherubinische Wandersmann II, 9)
Wolfgang Wackernagel, Dr phil.
Le Vatelier (logopoieion)
23, chemin de Sierne
CH - 1255 Veyrier / Genève
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(*) Anmerkungen:
1. Franz Pfeiffer, Hg., Deutsche Mystiker des vierzehnten Jahrhunderts, Band 2: Meister Eckhart, Leipzig 1857, Aalen, Scientia 21991, S. 618-619 (III, Spruch 53) / Neuhochdeutsche Übersetzung nach Erika Albrecht, Meister Eckharts sieben Grade des schauenden Lebens, mit einem Nachwort von Karlfried Graf Dürckheim, Aachen, N.F. Weitz 1987, S. 45-48.
2. Traktat Vom edlen Menschen (VeM), DW V (Meister Eckhart, Deutsche Werke, Stuttgart, Kohlhammer 1958 f., Band V), S. 111,22-112,24, und Anm. 20, S. 124 (Augustin: De vera religione c. 26 n. 49 PL 34,143 f.) / Übersetzung Josef Quint (DW V) S. 500.
3. VeM, DW V, S.111,18-113,5 / Quint (DW V) S. 499-500.
4. "Exemplum videmus quod imago educitur de ligno vel de lapide, nihil immutando, sed solum expurgando, excidendo et educendo. Quibus eductis manu artificis imago apparet et elucet; sic et in nobis ea quae superinducta et superscripta sunt, non sinunt apparere nec nos sentire, quid sumus. 'Filii' inquit 'dei sumus', sed non apparet. (1 Ioh. 3,2)" Exp. in Ioh., LW III (Meister Eckhart, Lateinische Werke, Stuttgart, Kohlhammer, 1964 f., Band III), S. 503, n. 575.
5. VeM, DW V, S. 113,18-20 / Quint (DW V) S. 500-501.
6. VeM, DW V, Anm. 30, S. 126.
7. Expositio libri Exodi, LW II, S. 196.
8. Plotin, Enneade V 3, 17; und auch Enneade I 6, 7, 7; V 8, 11; VI 7, 34; VI 9, 9, 50. Siehe dazu Werner Beierwaltes (mit weiteren bibliographischen Angaben) in: Selbsterkenntnis und Erfahrung der Einheit. Plotins Enneade V 3. Text, Übersetzung, Interpretation, Erläuterungen, Frankfurt a.M., Klostermann 1991 S. 250-253. Zur spirituellen Abstraktion in der Antike, siehe auch Pierre Hadot, Exercises spirituels et philosophie antique, Paris, Etudes Augustiniennes 1987 (2e édition).
9. "[...] Und das ist es, was unser Herr in jenen Worten sagen will, da er spricht, dass 'ein edler Mensch auszog', denn der Mensch muss aus allen Bildern und aus sich selbst ausgehen und allem gar fern und ungelich werden, [...]" VeM, DW V, S. 114,11-14 / Quint (DW V) S. 501.
10. VeM, DW V, S. 116,12-17, und Übersetz. Quint S. 502.
11. Expositio libri Exodi, Cap. 20 v. 4, LW II, S. 109, n. 111. Zum Thema einer bildlosen Gottesverehrung, vgl. auch Tacitus, De origine et situ Germanorum, 9,2 und 43,3: nulla simulacra - "es gibt keine Bildnisse von ihnen".
12. Ebd., S. 110, n. 112.
13. Ebd., S. 110, n. 113.
14. Expositio libri Sapientiae, LW II, S. 489, n. 154.
15. Predigt 20 b, DW I S. 346,11-13 / Quint (DW I) S. 510.
16. Expositio libri Exodi, Cap. 20 v. 4, LW II, S. 111, n. 115.
17. Ebd. Siehe auch LW III, S. 583, n. 670.
18. Ebd., S. 112, n. 117.
19. Predigt 16 b, DW I, S. 271,1-3 / Quint (DW I) S. 494.
20. Predigt 8, DW I, S. 132,7-9 / Quint (DW I) S. 460.
21. Predigt 8, DW I, S. 133,5-134,4 / Quint (DW I) S. 460.
22. Und umgekehrt, kann auch die Erkenntnis als Grundlage des Seins gelten. Siehe dazu die in den Quaestiones Parisienses erörterte Frage, "Utrum in deo sit idem esse et intelligere", LW V, S. 37-48.
23. Predigt 71, DW III, S. 219,10-220,3 / Quint (DW III) S. 545.
24. Ebd., DW III, S. 224,2-3 / Quint (DW III) S. 546.
25. Ebd., DW III, S. 228,8-9 / Quint (DW III) S. 547.
26. Ebd., DW III, S. 222,11-223,5 / Quint (DW III) S. 545.
27. "Gen. 1(,2): 'tenebrae erant super faciem abyssi' 'tenebrae': abscondita dei; 'super faciem abyssi': super rationem omnis creaturae." Exp. in Exod., LW II, S. 18-19, n. 13.
28. Siehe dazu Exp. in Ioh., Cap. 20 v. 4, LW III, S. 608-613, n. 692-698.
29. Predigt 71, DW III, S. 224,6-7 / Quint (DW III) S. 546. Siehe auch Predigt 72: "Die Seele weiss von nichts als vom Einen, sie ist erhaben über jedes Bild." DW III, S. 246,2 / Quint (DW III) S. 549. Auch das wohl bekannte "Ich sehe Dich in tausend Bildern / Maria, lieblich ausgedrückt, / Doch keins von allen kann dich schildern / Wie meine Seele dich erblickt. / Ich weiss nur, dass der Welt Getümmel / Seitdem mir wie ein Traum verweht, / Und ein unnennbar süsser Himmel / Mir ewig im Gemüte steht." des Novalis verbindet Maria (= das Seelenfünklein) mit dem Begriff der Entbildung.
30. Dieser Ausdruck wird von Meister Eckhart selbst in diesem Sinn gebraucht: "Non enim ipsum esse et quae cum ipso convertibiliter idem sunt [...]" Prologus generalis in opus tripartitum, LW I, S. 153, n. 8.
31. Prologus in opus propositionum, LW I, S. 166, n. 2. Für eine detaillierte Auslegung der Seinslehre, vgl. Karl Albert, Meister Eckharts These vom Sein. Untersuchungen zur Metaphysik des Opus tripartitum, Kastellaun, A. Henn 1976.
32. In Eccl., LW II, S. 281, n. 52.
33. Prologus in opus propositionum, LW I, S. 166-176, n. 3-15 (für dieses und die nächsten Zitate).
34. Umgekehrt sollten wir Gott allein das Sein zusprechen, und Gott um nichts anderes als um Gott also um das Sein bitten, denn "wenn wir Gott um etwas anderes als um Gott bitten, so ist das unrecht und ist Unglaube und ist (gewissermassen) eine Unvollkommenheit, denn da will man (noch) etwas zu Gott hinzusetzen [...]: Man will Gott zum Nichts und aus dem Nichts (= aus der Kreatur) Gott machen (so wellent sie got machen ze nihte und wellent ûz dem nihte got machen)." Predigt 65, DW III, S. 102,9-103,2 / Quint (DW III) S. 523. Vgl. mit LW V, S. 43, n.7: "Wie auch das Bild als solches ein Nichtseiendes (non ens) ist; denn je mehr man das Bild seinem Seinsgehalt nach betrachtet, um so mehr lenkt es von der Erkenntnis des Gegenstandes, dessen Bild es ist, ab."
35. Predigt 77, DW III, S. 339,1, auch Zeile 5-6: "Und alsô meinet daz wort 'ich' die isticheit götlîcher wârheit, wan ez ist ein bewîsunge eines 'istes'. Darumbe bewîset ez, daz er aleine ist." Zur ontologischen Begründung dieser Lehre Meister Eckharts über ein als Ebenbild Gottes verstandenes, also Gottverwandtes "Ichsein" des Menschen, vgl. Predigt 6, DW I, S. 106,1-3: "Waz ist leben? Gotes wesen ist mîn leben. Ist mîn leben gotes wesen, sô muoz daz gotes sîn mîn sîn und gotes isticheit mîn isticheit, noch minner noch mêr." In dieser isticheit (auf Englisch: "ismeness")ist also das wahrhaft göttliche im Menschen zu finden. Auch diese schon bei Eckhart auf das "Begreifen der eigenen Wesenheit" gerichtete Frage des "Ich(bewusst)seins" könnte als Ansatz für ein Leitmotiv künftiger philosophischer Auseinandersetzungen gelten. Vgl. Manfred Frank, Selbstbewusstseinstheorien von Fichte bis Sartre, Frankfurt a. M., Suhrkamp 1991. Vgl. Exodus 3,14: "Ego sum qui sum."
36. Vgl. Carmina Burana II, Die Liebeslieder, 185,9 : Er warf mir uof daz hemdelin / corpore detecta, / er rante mir in daz purgelin / cuspide erecta.
37. Vgl. Hans Hof, Scintilla Animae. Eine Studie zu einem Grundbegriff Meister Eckharts, Lund, Bonn 1952.
38. Vgl. das Bild vom Reif oder Kranz als Zeichen des Weines: Exp. libri Exodi, LW II, S. 58, n. 54; Exp. in Eccl., LW II, S. 281, n. 52; Sermo XLIV, 3, LW IV, S. 372, n. 446.
39. Predigt 2, DW I, S. 39-41 / Quint (DW I) S. 437.
40. Vgl. zu diesem Thema: Donatella Bremer Buono, Le langage de la mystique dans l'oeuvre allemande de Maître Eckhart, in Voici Maître Eckhart, Textes et études réunis par Emilie Zum Brunn, Grenoble, Jérôme Millon 1994 (bibliographische Übersicht).
41. Predigt 22, DW I, S. 388, 2 und S. 389, 6-8 / Quint (23) S. 261.
42. Vgl. Alfons Rosenberg, Christliche Bildmeditation, München, Kösel, 1975, S. 54-60. (Das Kreuz als Weltenbaum). Gabrielle Dufour-Kowalska, L'arbre de vie et la Croix. Essai sur l'imagination visionnaire, Genève, Editions du Tricorne, 1985.
43. Fragment aus Predigt 54b DW II, S. 568.
44. Heinrich Seuse, Deutsche mystische Schriften. Aus dem Mittelhochdeutschen übertragen und herausgegeben von G. Hofmann, Düsseldorf, Patmos 1966, S. 43-44.
45. Erwin Panofsky, Imago Pietatis. Festschrift für Max Friedländer, Berlin 1927, S. 261 f. Zitiert nach Ute Ulbert-Schede, Das Andachtsbild des kreuztragenden Christus in der deutschen Kunst. Von den Anfängen bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts. Eine ikonographische Untersuchung, (Diss.) München, UNI-Druck 1961, 1966, S. 9.
46. Ulbert-Schede, Das Andachtsbild, S. 15.
47. Predigt 5b, DW I, S. 91,3-10 / Quint (DW I) S. 450.
48. Traktat 1: Liber "Benedictus", I Daz buoch der götlîchen troestunge, DW V, S. 45,15.
49. Sermo XI,2, LW IV S. 114, n. 120. Diese Übersetzung lässt absichtlich eine Parallele mit Heideggers Deutung der aletheia als "Unverborgenheit" Anklingen. Sein und Zeit, § 7 B, Tübingen, Niemeyer 1984 (15. Aufl.), S. 33.
50. Predigt 23, DW I, S. 398,3.
51. Reden der Unterweisung (RdU), Kapitel 13, DW V, S. 236, 1-6 / Übersetzung (anders als Quint, DW V): Quint (Deutsche Predigten und Traktate, München 1963, Darmstadt 1985 = DPT), S. 73.
52. RdU, Kapitel 13, DW V, S. 236,7-238,6 / Quint (DPT), S. 73.
53. RdU, Kapitel 12, DW V, S. 232,1 / Quint (DPT), S. 71.
54. DW V, S. 339, Anm. 188.
55. RdU, Kapitel 12, DW V, S. 232,1-3 / Quint (DPT), S. 71.
56. RdU, Kapitel 12, DW V, S. 233,4-5 / Quint (DPT), S. 71.
57. Predigt 86, DW III, S. 482-483 / Quint (DW III), S. 593. Die andere Übersetzung von Quint (DPT, S. 281) ist an dieser Stelle wesentlich vereinfacht.
58. Predigt 86, S. 485. / Quint (DW III), S.594.
59. Predigt 10, DW I, S. 165,4-11 / Quint (DW I), S. 468-469. Vgl. S. 165, Anm. 3: Hinweis auf Pfeiffer, S. 250,36 f.: "Dô vant er zwei antlit. Daz ein wirket niderwart, daz ander wirket ûfwart. [...]" In Gen. II, n. 138: ... sic intellectuale in nobis distingitur in superius et inferius, quae Avicenna vocat duas facies animae. Augustinus, In Ioh. tr. 13 n. 3 (PL 35, 1493).
60. Predigt 10, DW I, S. 165, 3-4 / Quint (DW I), S. 468.
61. In einer neueren Kopie dieses Bildes wurde das im Original geschlossene Auge hinzugemalt. Vgl. z. B. den Buchumschlag von Hildegard von Bingen, Im Feuer der Taube. Die Briefe. Übers. und hrsg. von Walburga Storch, Augsburg, Pattloch 1997.
62. Vgl. U. Rüdiger, Hg., Otto Dix, Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafik, Kunstsammlung Gera, Klinkhart & Biermann 1997, S. 307, n. 327: "Einäugiger Bauer".
63. 2 Mose 34, 29. Vgl. G. Heinz-Mohr, Lexikon der Symbole. Bilder und Zeichen der christlichen Kunst, Düsseldorf, Diederichs 1972, S.215-217.
64. Über Allvaters in der Wasserquelle Mimir verborgene Auge (ob das linke oder das rechte, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen), vgl. Völuspa, Strophe 28 und Gylfaginning, Kap. 14. Auch das "Pyramidenauge" (nicht nur als "Big Brother's Grab" auf der grünen Ein-Dollar Note) könnte - wie eine Quelle im Schoss des Berges - so wohl als Symbol der Allwissenheit als auch als Sinnbild der Fruchtbarkeit gedeutet werden.
65. Vgl. Pfeiffer, S. 251,3-4 : "Ein ander kraft ist in dem obersten antlite, daz ist verborgen, in der verborgenheit lît daz bilde."
66. Predigt 9, DW I, S. 156,9 / Quint (DW I) S. 465.
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